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Verschwörungsmythen im Salafismus

Auch Extremisten nutzen Verschwörungsmythen für ihre Zwecke. Islamisten und Salafisten leisten dabei einen nicht unerheblichen Beitrag. Insbesondere antisemitische Verschwörungsnarrative stellen eine wichtige Grundlage islamistischer Ideologien dar. Verschwörungsmythen verstärken Vorurteile und radikale Einstellungen, bringen staatliches Handeln in Misskredit und schwächen den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Auf einen Blick: Was sind Verschwörungstheorien/-mythen?

In einer Verschwörungstheorie gibt es Vermutungen und Überlegungen, wie etwas passiert sein könnte. Es gibt Vermutungen darüber, was eine Gruppe von Verschwörerinnern und Verschwörern gemacht oder geplant haben könnte.

Die Menschen, die an einen Verschwörungsmythos glauben, nennt man auch Verschwörungstheoretiker. Eine Verschwörungstheorie vermischt Realität und erfundene Fakten. Verschwörungstheoretiker fragen: Wem hat etwas genützt? Wenn sie jemanden gefunden haben, glauben sie, dass derjenige schuld ist. Sie denken: Diejenigen, die von einer Krise profitieren, müssen die Schuld daran haben.

Verschwörungstheorien versuchen also, bedeutsame politische, wirtschaftliche und soziale Ereignisse oder die Beschaffenheit gesellschaftlicher Entscheidungsmechanismen und Strukturen durch die geheime Zusammenarbeit mehrerer mächtiger und böswilliger Akteure zu erklären.

Verschwörungstheorien entstehen und verbreiten sich besonders angesichts von Ereignissen, die weitreichende, krisenhafte Konsequenzen für die Alltagswirklichkeit der Bevölkerung haben, die einen Eindruck von Machtlosigkeit sowie ein hohes Maß an Stressbelastung zumindest in Teilen der Bevölkerung auslösen können und die nur unzureichend, schwer verständlich oder nur mithilfe von zufälligen Ereigniszusammenhängen erklärt werden können.

Im Video „ganz konkret: Verschwörungstheorien in Krisenzeiten“ erklärt die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit das Phänomen Verschwörungstheorien und warum Menschen daran glauben.

Zum Reinhören: Lehrerpodcast „Zeit für Politik“ (Folgen 2 und 13)

Eine der prominentesten Verschwörungsmythen im Islamismus und Salafismus folgt der Behauptung, dass hinter dem sogenannten Islamischen Staat (IS) und seinen Taten in Wahrheit Israel und die USA stehen würden. Deren Ziel sei es, den Islam schlecht zu machen und somit die Verfolgung von Musliminnen und Muslimen zu legitimieren. Zu dieser vor allem von nicht jihadistischen Islamisten vertretenen Auffassung gibt es zahlreiche Karikaturen und Memes, die in sozialen Medien weitreichend verbreitet werden.

Islamisten nutzen Verschwörungsnarrative, um deren Kernbotschaften zu verstärken und neue, bislang nicht überzeugte Anhängerinnen und Anhänger sowie Sympathisierende zu rekrutieren. Sie leisten einen nicht unerheblichen Beitrag zur Verbreitung islamistischer Narrative und teilweise auch zur Rechtfertigung von Anschlägen und Attentaten. Darüber hinaus verstärken sie antisemitische Vorurteile und Einstellungen, bringen staatliches Handeln in Misskredit und entfalten eine spalterische Wirkung innerhalb der Mehrheitsgesellschaft. Dies kann eine Radikalisierung stark begünstigen. Die Aufnahmebereitschaft für solche Botschaften schlägt sich in zahlreichen Kommentaren in sozialen Netzwerken nieder. Darin zeigt sich auch die Attraktivität von Verschwörungstheorien: Sie bieten einfache Erklärungsmuster für komplexe Sachverhalte. Auf Jugendliche üben sie einen besonderen Reiz aus.

Grafische Abbildung einer Weltkugel auf dunklem Hintergrund, über der zwei große Hände schweben. An den Händen sind Fäden befestigt, die zur Weltkugel führen und diese zu lenken scheinen.
Die Welt mit obskuren Mythen zu erklären, versuchen Verschwörungstheoretiker. Auch Islamisten nutzen Verschwörungsmythen für ihre Zwecke.

Ein Ereignis, um das sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten insbesondere auch aus dem islamistischen Spektrum zahlreiche Verschwörungsmythen ranken, sind die Anschläge des 11. September 2001. Einer in diesem Kontext weit verbreiteten These nach seien am Tag des Anschlags keine Jüdinnen und Juden zur Arbeit im New Yorker World Trade Center erschienen, weil sie im Vorfeld gewarnt worden seien. Denn Drahtzieher der Anschläge seien „die Juden“ bzw. Israel. Al-Qaidas Bekenntnis zum Angriff wird bis heute als Operation „unter falscher Flagge“ dargestellt, um die „wahren“ Verantwortlichen zu tarnen.

In der Realwelt finden sich Verschwörungsmythen vereinzelt in Freitagspredigten und anderen religiösen Veranstaltungen wieder. Hierbei kann immer wieder die Schaffung von Feindbildern bei gleichzeitiger Überbetonung der muslimischen Opferrolle beobachtet werden. Wiederkehrendes Motiv sind beispielsweise Warnungen durch religiöse Autoritätspersonen vor vermeintlich schädlichen Einflüssen moderner Medien. So sei WhatsApp „Fitna“ (bezeichnet im Islam die Spaltung der islamischen Gemeinschaft), da über das Medium falsche und diffamierende Informationen über den Islam und muslimische Gläubige verbreitet würden. Oftmals schließt sich dieser These die Behauptung an, WhatsApp sei von jüdischen Organisationen unterwandert, die sogar gut gefälschte „Fatwas“ (islamische Rechtsgutachten) verbreiten würden. Als scheinbarer Beleg erfolgt der prominente Verweis darauf, dass der WhatsApp- und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg jüdischer Herkunft ist.

„Schon gewusst?“: Die Corona-Pandemie als Strafe Gottes

Gerade in Zeiten großer Ungewissheit und offener, aber drängender Zukunftsfragen haben Verschwörungstheorien/-mythen Hochkonjunktur.

So beförderte die COVID-19-Pandemie die Belebung und Verbreitung von bekannten Verschwörungstheorien durch Extremisten und ihre Anhängerinnen und Anhänger. Salafisten bzw. die jihadistische Unterstützerszene nehmen eine sakrale Umdeutung der Corona-Pandemie vor. In Ihrer Gedankenwelt sind alle Ereignisse vorherbestimmt und auf den Willen Gottes zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund betrachten sie die Pandemie als die „Strafe Gottes“ für die „Ungläubigen“, die die „wahren Muslime“ verfolgen und den Islam zu zerstören versuchen würden. Das Virus soll insbesondere „Ungläubige“ treffen. Vereinzelt werden aus diesen Kreisen auch Corona-spezifische Anschlagsdrohungen verbreitet. Online kursieren zahlreiche Illustrationen und Memes, die diese Botschaften aufgreifen.

Auf einem Handybildschirm ist ein Bild mit dem mit dem Text Coronavirus a soldier for allah zu sehen.
Auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verbreiten Salafisten Verschwörungstheorien. Sie legen das Virus als eine „Strafe Gottes“ für die Ungläubigen aus. © PRIF 

Aktion gegen Verschwörungsmythen

Extremisten aus allen Phänomenbereichen versuchen, u.a. die durch die Corona-Pandemie bei vielen Menschen entstandenen Unsicherheiten und Ängste gezielt für ihre Zwecke zu nutzen und durch die Verbreitung von Verschwörungsmythen und Falschmeldungen die Gesellschaft zu spalten. Um hier umfassend zu informieren und zu sensibilisieren, hat das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales die „Aktion gegen Verschwörungsmythen“ ins Leben gerufen. Weitere Details sowie eine Übersicht über die verschiedenen Initiativen und Maßnahmen der teilnehmenden Projektträger und Kooperationspartner sind hier abrufbar.

Logo „Aktion gegen Verschwörungsmythen“

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